Die Corona-Pandemie und Angriffskrieg der Russischen Föderation gegen die Ukraine haben gezeigt, dass die EU im Krisenfall schneller und flexibler reagieren muss. Deshalb soll die Zahl der Förderprogramme um zwei Drittel auf 16 reduziert werden und weniger Geld fest verplant werden. Konkret schlägt die EU-Kommission für den Zeitraum 2028 bis 2034 ein Budgetvolumen von knapp 2 Billionen Euro vor, um die Aufgaben der kommenden Jahre zu finanzieren. Damit sind wichtige Eckdaten für den Auftakt langer und häufig kontroverser Debatten gesetzt. Das hat seine Gründe: Es geht um Geld, Macht und die Zukunft Europas.
Konkret schlägt die Kommission vor, die Mittel stärker auf Versorgungssicherheit, Verteidigung und Wettbewerbsfähigkeit auszurichten, gleichzeitig aber auch den Kohäsions-zielen und der Landwirtschaft gerecht zu werden. Zentraler Aspekt ist die Flexibilisierung und Vereinfachung der Programme sowie die Einführung neuer Eigenmittel, um die nationalen Haushalte zu entlasten, was aber in der Summe wohl eher zu einer Umverteilung als zu einer tatsächlichen Entlastung bei den EU-Bürgern führen dürfte. Das Europäische Parlament unterstützt die Erhöhung, fordert aber eine robuste parlamentarische Kontrolle und eine Anpassung der Vorschläge an die tatsächlichen Gegebenheiten.
Eckpunkte des neuen Haushaltsentwurfs
– Budget:
Mehr Budget – Neue Struktur.
Das Gesamtbudget soll nach dem Willen der Kommission von rund 1.200 Mrd. Euro im laufenden Jahr auf 1.984 Mrd. Euro im Haushalt 2028 bis 2034 steigen. Bei näherer Betrachtung fällt die auf den ersten Blick deutliche Erhöhung nicht ganz so drastisch aus, da die Kommission mit laufenden Preisen arbeitet, die Inflation also nicht herausgerechnet ist. Setzt man das Budget ins Verhältnis zur Wirtschaftsleistung der Mitgliedsstaaten ist ein moderater Anstieg von 1,1 Prozent auf 1,26 Prozent (+ 15 %) geplant. Da ab 2028 erstmals die Schulden des Corona-Fonds zurückzuzahlen sind, fallen jährlich Tilgungen in einer Größenordnung von mindestens 24 Milliarden Euro an. Diese herausgerechnet, reduziert sich das Budget um 0,11 Prozent auf 1,15 Prozent der Wirtschaftsleistung.
– Prioritäten:
- Verteidigung & Sicherheit
Erhöhung der Ausgaben für die Stärkung der militärischen Verteidigung Europas und Krisenreaktionen.
- Wettbewerbsfähigkeit
Förderung strategischer Technologien, Forschung und industrieller Innovationen zur Schließung der Investitionslücke gegenüber den USA und Asien.
- Kohäsion
Weiterhin Unterstützung strukturschwacher Regionen, jedoch mit vereinfachten Förderprogrammen.
- Umwelt & Klima
Beibehaltung der zentralen Bedeutung der Umwelt- und Klimapolitik, wie bereits im aktuellen Finanzrahmen.
- Unterstützung der Ukraine
Mobilisierung von 100 Milliarden Euro für die Ukraine.
– Finanzierung:
Neue Aufgaben – neue Ausgaben.
Neben bisherigen Kernaufgaben der EU wie die Unterstützung von Landwirten, die Förderung des ländlichen Raumes, den Ausbau von Straßen und Schienen sowie diversen Forschungs- und Nachbarschaftsprogrammen gilt es zukünftig auch neue Aktivitäten zu finanzieren wie z. B. die Ausgaben für das Militär oder Maßnahmen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit.
Bisher finanziert sich der EU-Haushalt zum größten Teil aus Beiträgen der Mitglied-staaten, allen voran Deutschland, das fast ein Viertel zum gemeinsamen Budget beisteuert. Weitere Nettozahler sind Frankreich und die Niederlande. Sie geben im Schnitt etwas mehr als ein Prozent ihrer Wirtschaftsleistung.
Fraglich ist, ob die Mitgliedstaaten bereit sind, künftig mehr einzuzahlen, da viele selbst mit knappen Haushalten und hohen Schulden kämpfen.
Daneben verfügt die EU über sogenannte Eigenmittel. So fließen rund drei Viertel der an den EU-Außengrenzen erhobenen Zölle ins gemeinsame Budget. Um die nationalen Haushalte zu entlasten und die Einnahmen zu stabilisieren ist die Einführung weiterer neuer Eigenmittel geplant. Das sehen mehrere Regierungen von Mitgliedsstaaten allerdings kritisch.
– Struktur & Flexibilität:
Neue Haushaltsstruktur – mehr Flexibilität.
Der Haushalt soll einfacher, straffer und flexibler gestaltet werden, um auf unerwartete Ereignisse schneller reagieren zu können. Um diesen Zielen gerecht zu werden, soll es künftig neben den Verwaltungskosten nur noch drei große Haushaltsposten geben:
– „Europa in der Welt“ (215 Mrd. Euro);
– „Wettbewerbsfähigkeit, Wohlstand und Sicherheit“ (590 Mrd. Euro) und
– „Wirtschaftlicher, sozialer und territorialer Zusammenhalt, Landwirtschaft, ländlicher
Raum und Meere, Wohlstand und Sicherheit“ (1.062 Mrd. Euro).
Brüssel will die beiden größten Etatposten Landwirtschaft und Regionalförderung in der Position „Partnerschaftspläne“ zusammenfassen. Damit würden fast 70 Prozent des aktuellen Haushalts in einem Etatposten zusammengeführt.
Direkthilfen der Landwirtschaft sollen bleiben.
In der nächsten Haushaltsperiode sollen 300 Milliarden Euro für Programme der Land-wirtschaft bereitstehen. Die Unterstützung für die Landwirte/Landwirtinnen soll wie bisher größtenteils über Direkthilfen, die sich nach der Größe der Betriebe richten, erfolgen. Dazu kommen laut Kommission Unterstützungsmaßnahmen für Jungbauern und -bauerinnen, Investitionshilfen und/oder Umweltboni aus anderen Programmen.
Fachpolitiker befürchten durch die Zusammenlegung der o. g. Etatposten und einer stärkeren Mitsprache der Mitgliedsstaaten das Ende der gemeinsamen Agrarpolitik.
— Rolle des Parlaments:
Das Europäische Parlament betont die Notwendigkeit einer robusten parlamentarischen Kontrolle für die Zuweisung und Nachverfolgung von Mitteln.
Abschluss der Diskussion bis Frühjahr 2027?
Aktuell ist vieles noch unklar. Mit der Vorstellung des Haushaltsentwurfs wird normaler-weise eine lange und oft kontroverse Debatte eingeleitet, in deren Verlauf der Entwurf der Kommission in der Regel noch mehrfach überarbeitet wird. Ein Ergebnis lässt sich daher aktuell kaum seriös prognostizieren.
Dies gilt umso mehr als das Parlament und der Rat diesem noch zustimmen müssen. Am Schluss braucht es auch ein einstimmiges Votum der Mitgliedsstaaten und die Zustimmung des EU-Parlaments. Die Vergangenheit zeigt, dass vor deren Votum zähe und langwierige Verhandlungen stattfinden.
Erste Überlegungen deuten jedoch daraufhin, die man anstrebt, mit den derzeitigen Akteuren die Verhandlungen bis zum Frühjahr 2027, vor der Präsidentenwahl in Frankreich, abzuschließen.
Aktuelle Diskussion
Bereits jetzt kommt aus Teilen der Agrarlobby hinsichtlich der angedachten Budget-kürzungen für die Realisierung der Common Agricultural Policy – GAP (statt 380 Milliarden zukünftig nur noch 300 Milliarden €) zum Teil heftige Kritik.
Als Argumentation wird ins Feld geführt, dass man die Landwirtschaft für Verteidigungs-ausgaben und die Unterstützung der Ukraine opfern würde. Des Weiteren wird angeführt, dass durch den verstärkten Zustrom kostengünstiger ukrainischer Importe, der politisch motiviert sei, sich die Marktinstabilität verschärft habe und das Gefühl des unfairen Wettbewerbs verstärkt würde.
Diese Argumentation ist nicht sachdienlich und von erkenntnisorientierter Evidenz. Sie zeigt einmal mehr wie mittels einer unseriösen Desinformation die öffentliche Meinung beeinflusst werden soll. Fakt ist:
- Der Agraranteil am EU-Haushalt ist in der Vergangenheit in den mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) immer weiter zurückgegangen. Dahinter steht vor allem die massive Kritik an der Ausgestaltung der GAP, sicherlich auch die volkswirtschaftlich tendenziell immer geringer werdende Bedeutung der Landwirtschaft in allen EU-Ländern.
- Die lautstarke Kritik am Kommissionsvorschlag zum MFR wird mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu führen, dass die Kürzung der Agrarmittel nicht so stark ausfallen dürften wie angekündigt. Weil das immer so ist, stellt sich natürlich die Frage, ob die Teilrücknahme der Kürzung schon eingepreist ist? Gemessen an der Zeitdauer bisheriger MFR-Verhandlungen sind Beschlüsse zum künftigen MFR erst im Laufe des Jahres 2027 zu erwarten.
Das heißt, wir werden noch zwei Jahre kontroverse Diskussionen erleben. Eins ist – Stand heute – aber über alle Entscheidungsgremien Konsens:
Die massive finanzielle Unterstützung der Ukraine steht außer Frage!