Im Jahr 2025 sehen sich die Colleges mit einer Reihe von Schwierigkeiten/Problemen konfrontiert. So beklagen die Vertreter/Vertreterinnen der Colleges die Kürzung der staatlichen Finanzmittel und das Fehlen einer Strategie zur Entwicklung der beruflichen Vorhochschulbildung sowie die Ungewissheit hinsichtlich der Rolle der Colleges im Rahmen der Reform der beruflichen Sekundarbildung.

Aktuell studieren in über 700 Einrichtungen der beruflichen Vorhochschulbildung etwa 400.000 Studentinnen und Studenten. Im Gegensatz zu der damit gegebenen großen volkswirtschaftlichen Bedeutung der beruflichen Vorhochschulbildung steht deren politische Wahrnehmung. So gibt es zum Beispiel im Ministerium für Bildung und Wissenschaft der Ukraine (MBW) für diesen Bereich kein zuständiges Direktorat.

Volodymyr Zeleny, Koordinator des Bereichs berufliche Vorhochschulbildung des Wissenschaftlich-Methodischen Rates des Ministeriums für Bildung und Wissenschaft, Kandidat der Geschichtswissenschaften und stellvertretender Direktor der separaten strukturellen Unterabteilung „Berufskolleg Werchnedniprovsk der Staatlichen Agrar- und Wirtschaftsuniversität Dnipro“, beschreibt aktuelle Entwicklungen, Problemfelder und mögliche Lösungsansätze für die berufliche Vorhochschulausbildung.

Veränderungen in der beruflichen Vorhochschulbildung im Jahr 2025

  1. Mit Wirkung vom 1. November 2024 wurde die Zuständigkeit für die berufliche Vorhochschulbildung vom Direktorat für berufliche Vorhochschul- und Hochschulbildung in das Direktorat für berufliche Bildung im Ministerium für Bildung und Wissenschaft (MBW) übertragen.

Für diese Entscheidung gibt es bis heute keine fachlich fundierte Begründung. Fehlende Finanzmittel können nicht als Argument angeführt werden, da nach Aussage des MBW im Jahr 2024 ein deutlicher Anstieg der Bildungsausgaben realisiert werden konnte.

Die Änderung der fachlichen und organisatorischen Zuständigkeit der Colleges im MBW hat erhebliche Konsequenzen. Dieses sind u. a.:

– Bewährte Strukturen und Verfahren zur Ausarbeitung und Verabschiedung von Entscheidungen über die berufliche Vorhochschulbildung wurden ohne Ersatz zerschlagen.

– Das Direktorat für berufliche Bildung im MBW wurde trotz neuer Aufgaben im Rahmen der neu übertragenen Zuständigkeit der beruflichen Vorhochschulbildung personell nicht entsprechend ausgestattet.

– Folge: Während der gesamten Vorbereitungs- und Durchführungsphase der Zulassungskampagne 2025 für die berufliche Vorhochschulbildung fand keine aus reichende fachliche Verfahrensbegleitung durch das MBW statt (zwei Sitzungen in der gesamten Zulassungskampagne).

– Über die Zielsetzung/Inhalte/Bearbeitung eines Entwurfs „Strategie zur Entwicklung der Beruflichen Vorhochschulbildung für den Zeitraum 2025 – 2035“ wurden die Colleges seitens des MBW nicht informiert.

– Seitens der Bildungsabteilungen (Ämter) der regionalen Verwaltungsbehörden wurde/wird vermehrt Druck auf die Fachcolleges – separate strukturelle Einheiten von Universitäten – ausgeübt. Aussagen wie „Es wird keine Finanzierung mehr geben“, „Verlassen Sie sofort die Struktur der Universitäten“ oder „Ab 2027 werden Sie nur noch praktische Ausbildung anbieten“ verdeutlichen die schwierige Situation der Fachcolleges.

– Die Kommunikation der Verwaltungsbehörden mit den Einrichtungen der Fachvorhochschulbildung ist unbefriedigend. Beispielsweise wird versucht, Fragen vermehrt auf die individuelle, punktuelle Ebene zu verlagern, um keine allgemeingültigen Regelungen für alle Einrichtungen der Fachvorhochschulbildung treffen zu müssen.

  1. Eine neue Liste von Stellen für pädagogische und wissenschaftlich-pädagogische Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wurde durch die Regierung verabschiedet, darunter befindet sich auch die Stelle des/der Vorsitzenden der Fachbereichskommission.

Diese Maßnahme ist zu begrüßen. Eigentlich sollte die Einrichtung und Besetzung der Position des/der Vorsitzenden der Fachbereichskommission bereits am 1. Januar 2022 erfolgen. Weiterhin ungelöst bleiben aber eine Reihe von Organisations- und Fachfragen wie z. B.:

  • Fragen zur Dauer des Urlaubs des Abteilungsleiters/der Abteilungsleiterin und des Methodikers/der Methodikerin.
  • Hinweise zur Beschreibung/Einordnung der Stelle des/der Vorsitzenden der Fachbereichskommission im System der Standard-Personalnormen und damit zur Eingliederung in die Stellenpläne der Fachcolleges.
  • Hinweise zur Finanzierung der neuen Stelle ab dem 1. Januar 2026.
  1. Die Regierung hat Änderungen am Nationalen Qualifikationsrahmen (NQR) vorgenommen, die den Standard der beruflichen Vorhochschulbildung auf der fünften Stufe des NQR einstufen/festlegen (Ausnahme: Qualifikation des Junior-Bachelors).

Durch Regierungsbeschluss wurde eine Reihe wichtiger Begriffe im Bereich der Qualifikationen im NQR präzisiert. Spezifische Formulierungen auf der Ebene der dritten (höchsten) Stufe der beruflichen (beruflich-technischen) Bildung (PTU) in Verbindung mit der vierten oder fünften Stufe des NQR wurden gestrichen. Durch diese Maßnahmen wurde die Position der beruflichen Vorhochschulbildung des ukrainischen Bildungssystems im Kontext der europäischen Integration gestärkt, da dadurch eine Anpassung des Nationalen Qualifikationsrahmen an den Europäischen Qualifikationsrahmen stattgefunden hat und weiterhin stattfindet.

  1. Ein „Verfahren zur Anerkennung von Bildungsabschlüssen, die in den vorübergehend durch die Russische Föderation (RF) besetzten Gebieten erworben wurden, auf den Ebenen der beruflichen (beruflich-technischen) Bildung, Vorhochschul- und Hochschulbildung” wurde durch den Ministerrat verabschiedet.

Damit bestehen verwaltungs- und anerkennungsrechtlich klare Regelungen wie mit derartigen Bildungsabschlüssen zu verfahren ist. Dies ist für die Weidereingliederung unserer Bürger und Bürgerinnen, die sich in den besetzten Gebieten befinden, wichtig.

  1. Ferner gibt es positive Entwicklungen hinsichtlich der Verbesserung der Stipendienvergabe und der Liste der kostenpflichtigen Dienstleistungen, die Bildungseinrichtungen anbieten können.
  1. Die Einbeziehung von Colleges in das Skills4Recovery Programm der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH.

Grundsätzlich ist die Einbeziehung von Colleges in das Programm Skills4Recovery positiv zu bewerten. Unklar ist jedoch, warum die berufliche Vorhochschulbildung erst 2025 in das Programm aufgenommen wurde. Eigentlich sollte das Skills4Recovery Projekt mit dem Projektstart die Stufen drei bis fünf des Nationalen Qualifikationsrahmens einschließlich der Fachcolleges abdecken.

Herausforderungen im neuen Schuljahr 2025/2026

Ungelöst bleibt das Problem der zuständigen Verwaltung für die berufliche Vorhochschulbildung, da es im MBW kein Direktorat für diesen Aufgabenbereich gibt. Dies führt zu einer Anhäufung offener Fragen und verstärkt die Arbeitsunzufriedenheit in der College-Gemeinschaft.

Des Weiteren gibt es seitens der politischen Gremien noch immer keinen Sachstandsbericht zu den Zielen und sachlichen Inhalten der Strategie zur Entwicklung der beruflichen Vorhochschul-bildung für den Zeitraum 2025-2035. So stehen zum Beispiel zur Zeit keine zugänglichen ausgearbeiteten Dokumente für eine Diskussion zur Verfügung, geschweige dass ein zeitlicher Rahmen für die Verabschiedung und Umsetzung der Strategie bekannt ist.

Im Januar 2025 fand ein Treffen von Collegevertretern und –vertreterinnen mit dem Minister für Bildung und Wissenschaft, Herrn Oksen Lisovyi, statt, bei dem den Einrichtungen der beruflichen Vorhochschulbildung vorgeschlagen wurde, selbst eine solche Strategie zu entwickeln. Einen Entwurf wurde von Vertretern/Vertreterinnen der beruflichen Vorhochschulbildung ausgearbeitet und bereits im März 2025 beim MBW eingereicht. Bisher gab es seitens des MBW keine Reaktion auf das Strategiepapier.

Die Finanzierung der beruflichen Vorhochschulbildung für das Jahr 2026 ist derzeit immer noch ungewiss. Für das Jahr 2025 wurden die Budgets für die berufliche Vorhochschulbildung gekürzt, sodass folgende Fragen im Raum stehen:

– Werden Maßnahmen ergriffen, um eine erneute Unterfinanzierung der beruflichen Vorhochschulbildung zu verhindern? Wenn ja, welche? Wenn nein, wie soll der Bildungsauftrag der Einrichtungen der beruflichen Vorhochschulbildung sichergestellt werden?

– Wer (Einrichtung/Organisation) ist für den Haushaltsantrag zur Finanzierung der beruflichen Vorhochschulbildung für das Jahr 2026 verantwortlich?

– Werden die Daten der Fachcolleges zum Finanzierungsbedarf für das Jahr 2026 berücksichtigt (Entsprechende Formulare mussten von den Einrichtungen bis zum 28. Juli 2025 ausgefüllt werden)? Wenn ja, in welcher Form? Wenn nein, warum nicht (Begründung!)?

– Wie werden die Einrichtungen der beruflichen Vorhochschulbildung den weiteren Prozess der Haushaltsaufstellung eingebunden?

– Ist sichergestellt, dass der Haushaltsantrag fristgerecht eingereicht wird. Hinweis: Der parlamentarische Haushaltsprozess für das Jahr 2026 beginnt bereits am 15. September 2025.

Die Standards für die berufliche Vorhochschulbildung 2.0 müssen unverzüglich ausgearbeitet und verabschiedet werden. Aufgrund der aufgezeigten Änderungen in der Zuständigkeit für die berufliche Vorhochschulbildung wurde diese Frage seit Herbst 2024 praktisch „auf Eis gelegt”.

Zwar wurde eine Kommission gegründet und eine ganze Reihe von Dokumenten erstellt. So gibt es zum Beispiel

– eine neue Liste der Wissensbereiche (Fachrichtungen),

– eine Verordnung des Bildungsministeriums über die Besonderheiten der Einführung der neuen Liste der Berufe/Spezialisierungen,

– eine neue Zusammensetzung des Sektors der beruflichen Vorhochschulbildung des Wissenschaftlich-methodischen Rates des Bildungsministeriums,

– Dokumente über die Teilnehmenden an den Auswahlverfahren für die Unterkommissionen der wissenschaftlich-methodischen Kommissionen des Sektors

aber wo bleibt das Arbeits- und Umsetzungskonzept inkl. der Regelung der Zuständigkeiten?

Die Reform der Profilschule, d. h. die Einführung einer dreijährigen berufsbezogenen Sekundarschulbildung (in den Klassen 10 bis 12), wirft ebenfalls eine Reihe von Fragen auf.      Aus rechtlicher Sicht sollen im Zuge der Reform akademische Lyzeen entstehen. Die Fachcolleges (berufliche Vorhochschulbildung) sollen zusammen mit den PTU`s (beruflich-technische Bildung) eine berufsorientierte Sekundarschulbildung gewährleisten. Die Fachcolleges waren lange Zeit nicht darüber informiert geschweige denn in den Prozess der neuen Aufgabenverteilung und deren Umsetzung im Rahmen der neuen Konzeption der berufsbezogenen Sekundarschulbildung eingebunden. Dadurch entstand in der Öffentlichkeit der falsche Eindruck, dass die Bereitstellung einer berufsbezogenen Sekundarbildung nur durch akademische Lyzeen und „Berufskollegs” erfolgen bzw. gewährleistet werden soll.

Erst in diesem Jahr wurde öffentlich bekannt gegeben, dass ab dem 1. September 2027 nach Abschluss der 9. Klasse die Schüler/innen eine berufsbezogene Sekundarausbildung an einem akademischen Lyzeum oder an einer PTU oder an einem Fachcollege (dann zusammen mit einem Fach) erwerben können. Allerdings ist die berufsbezogene Sekundarausbildung sowohl für die  PTU als auch für die Fachcolleges nicht die Haupttätigkeit. Forderungen, „auf die berufsbezogene Sekundarausbildung zu verzichten”, widersprechen den rechtlichen Vorgaben, dem gesunden Menschenverstand und anderen Überlegungen/Anforderungen, wie beispielsweise der beschleunigten Eingliederung junger Menschen in den Arbeitsmarkt.

Um diesen Herausforderungen gerecht zu werden, muss die aktuelle Gesetzgebung umgesetzt werden. Dies gilt insbesondere für das Gesetz der Ukraine „Über die berufliche Vorhochschul-bildung“, das vor sechs Jahren in Kraft getreten ist. Die Umsetzung der Gesetzgebung und die Schaffung eines Direktorates für berufliche Vorhochschulbildung innerhalb der Struktur des Bildungsministeriums werden es ermöglichen, einen Großteil der Probleme der beruflichen Vorhochschulbildung zu lösen, internationale technische Hilfe in vollem Umfang in Anspruch zu nehmen und bilaterale Projekte (mit Partnern in der Ukraine und im Ausland) zu entwickeln und Zuschüsse für die Entwicklung von Fachcolleges zu erhalten.