„Ein Beruf ist das Rückgrat des Lebens“ hat schon Friedrich Wilhelm Nietzsche vor über 100 Jahren festgestellt. Dies trifft insbesondere für die Landwirtschaft und die Tätigkeit auf einem landwirtschaftlichen Betrieb zu. Hier sind das Leben, Wohnen und Arbeiten in der Regel ganz eng miteinander verwoben und oft nur schwer zu trennen. Die heute viel zitierte Work-Life-Balance hat hier – gute Organisation, gegenseitiger Respekt  und realistische Selbsteinschätzung  voraus-gesetzt – große Chancen.

Die Landwirtschaft mit ihren vielfältigen vor- und nachgelagerten Bereichen bietet eine Vielzahl an Berufen. In Aus- wie Weiterbildung bzw. Studium können heute unter anderem Schwerpunkte auf den Pflanzenbau, die Tierhaltung, die Landtechnik, den Ökolandbau oder die  Betriebswirtschaft und das Management  gelegt werden. Mittlerweile ist auch die „Digitalisierung“ ein wichtiger Aspekt  und verändert die Arbeitswelt im Agrarbereich in einem rasanten Tempo.

Die Karriere bzw. die berufliche Laufbahn eines Menschen ist neben der Persönlichkeit, dem Mut und Ehrgeiz auch stark von den gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen abhängig.

Zu einer beruflichen Karriere gehört unabdingbar eine sehr gute Aus- und fachliche Fortbildung, also eine entsprechende Qualifikation und deren laufende Aktualisierung. In der Ausbildung wird der Grundstein für die Entwicklung einer beruflichen Identität gelegt. Die berufliche Aus- und Fortbildung muss praxisnah gestaltet, flexibel umsetzbar und für alle Beteiligten nachvollziehbar und attraktiv gestaltet sein. Hier kommt den Lehrkräften und Ausbilder*innen eine große Verantwortung zu, die nicht unterschätzt werden sollte.

Fachkräfte der Agrarwissenschaft können in den verschiedensten Bereichen eine Anstellung finden. Getreu dem Motto „Wer sein Ziel kennt, findet auch einen Weg dahin,“ kann die Ausbildung an den Agrarcolleges ganz individuell verlaufen.

Grundlage für die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten der Agrarcollege-Absolventen*innen ist der Aufbau der Ausbildung. Auf der Basis naturwissenschaftlicher Grundlagen, können sich die Studierenden in einer Vielzahl von Schwer-punkten spezialisieren, dadurch ergeben sich auch vielfältige Berufsperspektiven. Wichtig ist, das Berufsbild  zu suchen, welches am besten zu den eigenen Fähigkeiten und Vorstellungen passt.

Für diejenigen, die gerne theoretische und praktische Inhalte verknüpfen, bildet das mit Hilfe des FABU-Projektes im Zeitraum 2017 bis 2021 weiterentwickelte und an die Arbeitsmarktbedingungen angepasste Konzept  der Agrarcollegeausbildung den Weg in die Zukunft.

Eine gute Qualität des „Technologischen Praktikums“ (Betriebspraktikum) ist für eine nachhaltige und sinnstiftende Berufswahlentscheidung der Studierenden ebenso wie für die Fachkräftesicherung der Unternehmen entscheidend. Um den Nutzen dieses Praktikums für die berufliche Orientierung und Ausbildung zu optimieren, hat das FABU-Projekt gemeinsam mit WMZ VFPO einen Leitfaden zum „Technologischen Praktikum“ erarbeitet. Dieser kann Studierenden als Checkliste und  Lehrkräften/ Colleges sowie Praktikumsbetreuern/Betrieben als Handlungsempfehlung  dienen.

Wichtig: Der persönliche Umgang mit den Praktikant*innen erfordert aus Sicht der Ausbildungsverantwortlichen eine angemessene Selbstpositionierung. Es gilt, Nähe und Distanz passend zu dosieren.

Situationen in der Elternrolle So signalisieren Sie professionelle Distanz
Praktikant*innen erwarten, dass andere ihre Fehler „ausbügeln“. Bestehen Sie darauf, dass sich die Praktikant*innen an der Fehlerbehebung beteiligen: „Ich erwarte von Ihnen, dass Sie sich aktiv an der Fehlerkorrektur beteiligen und sich angemessen entschuldigen.“
Praktikant*innen drücken sich vor lästigen und unangenehmen Aufgaben oder Gesprächen. Machen Sie klar, dass auch diese Aufgaben und Gespräche zum Beruf gehören: „Auch wenn das jetzt nicht angenehm für Sie ist, ich kann hier keine Ausnahme machen.“
Praktikant*innen tun sich schwer, zwischen Privatleben und Praktikumsalltag zu unterscheiden. Verdeutlichen Sie, dass Privates während der Arbeitszeit eine untergeordnete Rolle spielt. „Verständlich, dass Sie sich mit … austauschen möchten. Dafür sollte die arbeitsfreie Zeit genutzt werden. Bitte konzentrieren Sie sich auf ….“
Situationen in der Freundschaftsfalle So vermitteln Sie Wertschätzung und wahren die Grenzen
Praktikant*innen versuchen eigenes Fehlverhalten zu verharmlosen. Vermeiden Sie es, Fehler zu relativieren und beziehen Sie eine klare Position: „Man sieht, dass das so nicht passt. So kann es nicht bleiben.“
Praktikant*innen halten sich nicht an die Regeln und Vereinbarungen. Stellen Sie klar, dass Regeln für alle gelten und dass Vereinbarungen eingehalten werden müssen: “Wir haben abgemacht, dass Sie ab 07.00 Uhr das Melken der Milchkühe übernehmen. Halten Sie sich bitte daran.“
Praktikant*innen tun sich schwer damit ein „Nein“ zu akzeptieren. . Bleiben Sie bei Ihrem „Nein“ und verdeutlichen Sie die Entscheidung: „Klar ich verstehe, dass Sie am kommenden Wochenende frei haben wollen, das geht aber leider nicht. Am folgenden Wochenende haben Sie frei, das verspreche ich Ihnen.“

Tabelle: Situationen und angemessene Reaktionen

Praktische Ausbildungsabschnitte bilden wichtige Bausteine  der Ausbildung; da. viele Studierende durch diese oft zum ersten Mal mit der realen Arbeitswelt in Berührung kommen.

Auch ein Praktikum im Ausland ist heute keine Seltenheit mehr. Es bietet jungen Menschen nicht nur eine Erweiterung des fachlichen Erfahrungsschatzes sondern lässt sie auch persönlich reifen. Solche Erfahrungen schärfen den Blick und lassen erkennen, was man an der heimischen Ausbildung  hat, und auch, was vielleicht verändert werden sollte.

Das FABU-Projekt hat gemeinsam mit AgrarKontakte International  e. V. (AKI) wichtige Impulse für den internationalen Praktikantenaustausch gegeben.

Neben der fachlichen Ausbildung sollte auch die persönliche Weiterentwicklung nicht zu kurz kommen. Die Inhalte/Themenfelder in diesem Ausbildungssegment sind umfangreich und erstrecken sich von der Agrarpolitik über die Öffentlichkeitsarbeit bis hin zu einer umfassenden Persönlichkeitsbildung. In diesem Zusammenhang sollte auch die Entwicklung von Visionen und Zielen für die eigene Zukunft nicht zu kurz kommen.

Der Herausforderung „Fachkräftesicherung“ müssen sich die Colleges und die Unternehmen gleichermaßen stellen. Für das Projektteam, die Colleges und die Betriebe gilt: Jede Reise beginnt mit dem ersten Schritt. Diesen gilt es nun im Hinblick auf die methodische und inhaltliche Weiterentwicklung der Lehrinhalte sowie das „Technologische Praktikum“ zu gehen.

Vor diesem Hintergrund hat das Projektteam in den vergangenen vier  Jahren enorme Anstrengungen unternommen, um die Berufsausbildung an den vier Pilotcolleges (Myrohoschanskyy /  Westukraine, Rivne; Illintsi /  Zentralukraine, Winnitsa; Lypkovativka / Ostukraine, Charkiv und Glukovsky / Nordostukraine, Sumy) in den ausgewählten Spezialisierungen (Pflanzenbau, Tierhaltung, Veterinärmedizin, Landtechnik und Elektrotechnik) an internationale Standards und die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes anzupassen. Im Zentrum der Projektarbeit stand dabei in der ersten Projektphase, methodische und inhaltliche Verbesserungspotenziale im Bereich der praxisnahen Ausbildung an den genannten  landwirtschaftlichen Colleges zu identifizieren und an die aktuellen Bedürfnisse des Arbeitsmarktes anzupassen. Auf diese Weise sollte zur Sicherung bzw. Steigerung der Leistungsfähigkeit der ukrainischen Landwirtschaft beigetragen werden. Ein wichtiger Aspekt war dabei, die Vermittlung von Kompetenzen für die berufliche und persönliche Handlungsfähigkeit (Stichworte: Eigenverantwortlichkeit, Selbständigkeit) der Studierenden. Dazu wurden unter anderem:

  1. Die Curricula, Lehrpläne und Ausbildungsstandards zu den fünf oben genannten Spezialisierungen mit den ukrainischen Partnern überarbeitet;
  2. Die Lehrinhalte aktualisiert und neue Lehrmodule (z. B. Digitalisierung in der Landwirtschaft) konzipiert
  3. Die Aus-, Fort- und Weiterbildung von Fach- und Lehrkräften an den Pilotcolleges und auf ausgewählten landwirtschaftlichen Betrieben forciert.

Darüber hinaus leistete das Projekt einen wichtigen Beitrag zur Überarbeitung der Bildungsstandards (Inhalte und Methoden), so dass mit Schreiben Nr. 3-302-19  des ukrainischen Bildungsministeriums vom 01. Juni 2019  diese für den Test an den Pilotcolleges freigegeben wurden.

Operative Hauptpartner waren WMZ VFPO (vormals Agroosvita) sowie die bereits genannten vier Pilot-Agrarcolleges.

Die zweite Phase des Projektes FABU (Zeitraum 2021-bis 2024/2025) soll sich auf die Weiterentwicklung und Verstetigung sowie die institutionelle Verankerung der bisherigen Projektergebnisse konzentrieren. Dazu sind u. a. folgende Maßnahmen vorgesehen:

  • Neufassung bzw. Anpassung der staatlichen Standards und Rahmenlehrpläne für die Ausbildung an allen Colleges im Agrarbereich;
  • Landesweite Einführung aktualisierter Curricula/Lehrpläne und moderner Lehrmaterialien;
  • Etablierung eines nachhaltigen Systems zur kontinuierlichen Lehrkräftefort-bildung;
  • Sicherstellung der Durchführung betrieblicher Praktika;
  • Einbeziehung von landwirtschaftlichen Praxisbetrieben sowie Unternehmen des vor- und nachgelagerten Wirtschaftsbereichs in die Agrarausbildung;
  • Sicherstellung der Praxisrelevanz der Ausbildung an den Agrarcolleges durch Einführung von Elementen der dualen Ausbildung (Lernorte Berufsschule und Ausbildungsbetrieb);
  • Förderung des dauerhaften Zugangs zu internationalen Erfahrungen im Bereich der Agrarausbildung.

Wir werden alle Interessierten an dieser Stelle in den nächsten Wochen/Monaten regelmäßig über einzelne Maßnahmen und den Arbeitsfortschritt  informieren.

Hans Georg Hassenpflug
Projektleiter FABU