„Hochschulen sollten auch in Zeiten internationaler Konflikte Orte sein an denen Fremdenfeind-lichkeit, Nationalismus und Ausgrenzung keinen Platz haben. Vielmehr sollten differenzierte Sichtweisen, Meinungsvielfalt und internationaler Austausch auch unter diesen widrigen Bedingungen Grundlagen der Forschungs- und Lehrtätigkeit an allen Hochschulen sein. Besonders in Zeiten, in denen in erschreckender Brutalität in Europa wieder Krieg geführt wird, sind deshalb die Hochschulen gefordert, für diese Werte gemeinsam offensiv einzutreten.“ sagten HRK-Präsident Prof. Dr. Peter-André Alt und DAAD-Präsident Prof. Dr. Joybrato Mukherjee in einem Statement am 10. März 2022.
Der seit mehr als zwei Jahren andauernde kriegerische und völkerrechtswidrige Angriff Russlands auf die Ukraine hat mittlerweile dramatische Auswirkungen auf das ukrainische Bildungswesen.
Nahezu alle ukrainischen Bildungseinrichtungen schaffen es nicht mehr ihren Bildungsauftrag in geordneten Bahnen anzubieten. Homeschooling in Verbindung mit einem weitgehend digitalen Studienangebot bzw. einer digitalen Lehre stellen für die Studierenden in der Praxis häufig nur eine Notlösung dar, um ein Minimum an Bildung sicherzustellen.
Erschwerend für die Bildungssituation ist häufig, wenn Bildungseinrichtungen ihre räumliche und technische Infrastruktur aufgeben/verlassen und in vermeintlich sicheres/kontrolliertes Gebiet umziehen müssen. Zu den in dieser Hinsicht betroffenen Einrichtungen gehören die Dmytro Motornyi Tavria State Agrotechnological University (TSATU) in Melitopol, im Oblast Zaporizhzhia in der Ukraine und die ihr unterstellten/zugeordneten Bildungseinrichtungen.
Der emotionale Hilferuf von Prof. Dr. Serhiy Kyurchev, dem Rektor von TSATU: „Sie können sich nicht vorstellen was es bedeutet, seinen Arbeitsplatz, das Kollegium und die eigene Forschung von einem Tag auf den anderen zurückzulassen und wie es sich anfühlt, seine Studierenden in den Krieg ziehen zu sehen“, zeigte Wirkung.
Prof. Dr. Serhiy Kyurchev weiter: „Alles ist schwierig – von der Lehre, bis hin zu den Experimenten. Meine Kolleginnen/Kollegen und ich unterrichten zwar längst online, aber dass die Stromversorgung immer wieder unterbrochen ist, macht selbst das kompliziert. Im Labor wiederum können sie ohne Strom nur bedingt experimentieren. Daten zu speichern und abzurufen ist ohne Computer und Internet ebenfalls unmöglich. In gewisser Weise zeigt der Krieg nicht nur, wie verwundbar die Wissenschaft, sondern auch die moderne Zivilisation insgesamt ist.“
Das Schreiben von Prof. Dr. Serhiy Kyurchev wurde vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), dessen Generalbeauftragte der Consulting Group GmbH und den Projektdurchführern: der ADT Project Consulting GmbH, der Gesellschaft für Projekt- und Prozessmanagement (PPMA) und dem Projekt „Förderung der Berufsausbildung an landwirtschaftlichen Colleges in der Ukraine (FABU)“ als ein Momentum wahrgenommen, spontan und zielgerichtet Unterstützungs-/Sofortmaßnahmen zu leisten.
In kürzester Zeit wurden seitens des BMEL die Finanzmittel bewilligt und durch das Team des FABU-Projektes Bedarfe für die notwendige/erforderliche Hilfe ermittelt.
„Die Beantragung und Umsetzung hat uns aufgrund der Besonderheit der Situation vor zahlreiche neue Herausforderungen gestellt, die wir aber dank der großartigen Unterstützung aller involvierten Einrichtungen/Personen zügig bewältigen konnten. Mit Freude blicke ich auf das Erreichte zurück – gleichzeitig weiß ich aber auch, dass die Unterstützung weitergehen muss und wird“, so Hans Georg Hassenpflug, Leiter des FABU-Projektes, von dem das Antragsverfahren und dessen Umsetzung verantwortlich durchgeführt wurde.
Am 28. November 2023 wurden dem Rektor der Staatlichen Agrotechnologischen Universität Dmytro Motornyi und den ihr unterstellten/zugeordneten sechs Colleges im Rahmen dieser Aktion/Hilfsmaßnahme vom BMEL 190 Laptops (70 für die Universität und 20 für jedes College) und 35 Router übergeben. Die materielle und technische Unterstützung ermöglicht es der Universität die Ausbildung am neuen Standort in Stadt Zaporizhzhia wieder aufzunehmen und die Voraussetzungen für eine kontinuierliche Arbeit der Dozenten, der Studierenden und des Verwaltungspersonals im Onliner-Format zu schaffen. Die Hilfe durch Ausstattung mit leistungsfähigen Computern ist eine äußerst wichtige materielle und moralische Unterstützung für die genannten Bildungseinrichtungen, ihre Beschäftigten und die Studierenden, die bereits in den ersten Kriegsmonaten schon einmal vertrieben wurden und fast ihr gesamtes Eigentum verloren haben.
Ohne die genannte technische und logistische Unterstützung wäre es unmöglich, Bildungsaktivitäten, geschweige denn ein halbwegs geordnetes Studium durchzuführen. Derzeit wird die erhaltene Computerausrüstung zur Vorbereitung und Durchführung von Online-Kursen, zur Interneteinrichtung in den diversen Räumlichkeiten, in denen die Universität und ihre einzelnen Colleges tätig sind, sowie zur Sicherstellung einer systematischen Kommunikation zwischen den am Bildungsprozess Beteiligten (Sprechstunden für Studierende, Bildungs- und Kontrollmaßnahmen usw.) verwendet. Mit Hilfe der technischen Unterstützung kann mittlerweile auch der Betrieb des Portals und der Webseite der Universität und ihrer Colleges sowie die zeitnahe Erledigung administrativer und finanzieller Aufgaben durch die zuständigen Mitarbeiterinnnen und Mitarbeiter durchgeführt werden.
Besonders erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist, dass die angeschafften Laptops mit ihrer Energieautonomie und Mobilität es ermöglichen, auch bei Strom- und Routerausfällen zumindest einige Stunden unvernetzt weiterzuarbeiten, was derzeit besonders wichtig ist. Ihre technischen Eigenschaften in Verbindung mit dem Einsatz der Router ermöglichen es, alle Bedürfnisse der Lehrkräfte, des Personals und der Studierenden des Universitätszentrums im Bildungsprozess zu erfüllen. Der ununterbrochene Internetzugang und die zeitnahe Bereitstellung erforderlicher Informationen auf dem Universitätsportal bis hin zum 3D-Design und der einfachen Verarbeitung von Video- und Audiodateien spielt u. a. in der täglichen Arbeit eine wichtige Rolle.
Mit der Realisierung der Hilfsmaßnahme konnten die Lehr- und Forschungskapazitäten und -strukturen an einer der führenden Universitäten der Ukraine in einem neuen Arbeitsumfeld an einem neuen Ort wieder aufgebaut und damit im Wesentlichen fortgesetzt werden. Dank der deutschen Unterstützung kann es gelingen, die ursprüngliche Leistungsfähigkeit der Universität und deren Colleges wiederherzustellen und die Integration in die europäische Bildungs- und Forschungsumgebung fortzusetzen. Im Vordergrund steht aber zunächst erst einmal die Sicherung des Studienerfolgs ukrainischer Studierender, die ihr Studium aufgrund der aktuellen Situation nicht regulär fortsetzen konnten, da sie z. B. den Studienort aufgrund aktiver Kriegshandlungen verlassen mussten.
Prof. Dr. Serhiy Kyurchev: „Wir sind unseren deutschen Partnern für ihr Verständnis der Bedürfnisse unserer Studierenden, der Bedürfnisse der Universitätsgemeinschaft und für ihre freundliche und starke Schulter in den schwierigen Zeiten dieses Krieges für die Freiheit, den Willen und eine gute Zukunft der Ukraine sehr dankbar.“
“Ihre Hilfe ermöglichte es TSATU und den sechs Colleges den Ausbildungsauftrag der Ukraine auf einem ausreichenden Niveau und in Übereinstimmung mit den Anforderungen der geltenden Gesetzgebung durchzuführen. Danke für die geleistete außergewöhnliche Unterstützung. Wir hoffen, auf weitere Unterstützung und Zusammenarbeit”.