Die Ukraine und die EU haben bereits 2014 ein 1.200 Seiten umfassendes Assoziierungsabkommen geschlossen, das die Ukraine enger an die EU binden und auf einen künftigen Beitrittsprozess vorbereiten soll. Nach weiteren Verhandlungen (EU und Ukraine) wurde seitens der EU am 24. Juni 2022 beschlossen, der Ukraine den Status eines Beitrittskandidaten zuzuerkennen. Schließlich haben die EU-Führungsspitzen (Europäischer Rat) am 14. Dezember 2023 beschlossen, Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine aufzunehmen.

Letzteres hat dazu geführt, dass in den letzten Monaten in den Medien und der Gesellschaft der Ukraine sehr intensiv über das Thema eines EU-Beitritts diskutiert wurde. Dabei hat sich gezeigt, dass dies auf der Basis eines Mangels an verlässlichen Informationen bzw. oft ohne fachlich fundierte Grundlagen passiert. Dadurch sind die Debatten häufig sehr kontrovers. Die Folge ist: Pro und Contra, Chancen und Risiken werden nicht richtig eingeschätzt/bewertet. Dies führt zu einem konträren und diffusen Meinungsbild. Die Spannweite reicht von einem total unbegründet überzogenen Optimismus bis hin zu extrem pessimistischen Vorstellungen.

Ein Grundproblem der aktuellen Situation der gesellschaftlichen Meinungsbildung zum Thema EU-Beitritt in der Ukraine besteht darin, dass weder in den Medien noch im politischen Raum allgemein zugängliche, verständlich formulierte und sachlich/fachlich fundierte Informationen zu diesem Thema vermittelt/veröffentlicht werden bzw. bereitstehen.

Dies führt dazu, dass z. B. nur wenige Lehrkräfte von Bildungseinrichtungen oder wissenschaftliche Vertreter*innen der Hochschulen, Universitäten und Akademien über das erforderliche Wissen/die notwendigen Kenntnisse verfügen.

Noch größer sind die Wissensdefizite in nahezu allen Schichten der Bevölkerung, so dass unbestritten ein großer gesellschaftlicher Wissensbedarf an substanziellen und sachlichen Informationen z. B. über die Strukturen und die Funktionsprinzipien der EU und deren gesetzlichen Grundlagen besteht. Dies betrifft insbesondere auch die Situation im Agrarsektor.

Aufgrund der Bedeutung des Themas für die ukrainischen Landwirtschaft und den Bereich der beruflichen Ausbildung im Agrarsektor wurde seitens des FABU-Projektes in Abstimmung mit dem WMZ VFPO vereinbart, eine Reihe von Veranstaltungen in Form von Webinaren unter dem gemeinsamen Titel “Die europäische Integration der Ukraine – Grundlagen/ Voraussetzungen/Kriterien, Stationen auf dem Weg zum EU-Beitritt, Erfordernisse der Adaptation europäischer Rechtsnormen in die Gesetzgebung der Ukraine inklusive deren Umsetzung und Perspektiven für die Ukraine” durchzuführen.

Die Webinare richten sich vorrangig an Lehrkräfte und Hochschullehrer aber auch andere interessierte Fachleute und Experten/Speziallisten*innen können daran teilnehmen. In Verbindung mit den Webinaren werden auch Lehr-/Lernmodule für die Ausbildung der Studierenden an den Agrarcolleges entwickelt, die im Selbststudium bearbeitet werden können. Den Input für die Webinare werden qualifizierte deutsche Fachleute liefern.

Das erste Webinar dieser Reihe mit dem Titel “Grundzüge der europäischen Agrarpolitik” fand am 27. März 2024 statt. Der Referent Dr. Peter Pascher verfügt in dem vorgenannten Themenfeld über langjährige Erfahrungen als Agrarreferent beim Bund Deutscher Landjugend, im Bildungswerk der Deutschen Landwirtschaft (Andreas Hermes Akademie) und beim Deutschen Bauernverband. Er beleuchtete folgende Themenfelder:

  • die Geschichte, Gegenwart und Zukunft der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP),
  • wichtige Rechtsgrundlagen und Entscheidungsverfahren sowie
  • wichtige Eckdaten der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) im Zeitraum 2023-2027.

Ein besonderes Augenmerk legte der Referent auf den GAP-Mitteleinsatz und auf die aktuellen Herausforderungen der EU im Agrarsektor und die zukünftige Gestaltung der GAP.

Mehr als 80 Teilnehmende zeigten Interesse an der Thematik und waren beeindruckt von der Komplexität der europäischen Agrarpolitik. Die rege und zum Teil emotionale Diskussion der Teilnehmenden zeigte einmal mehr, wo es und was den ukrainischen Fachleuten, Lehrkräften und Hochschullehrern*innen unter den Nägeln brennt. Im Rahmen der Evaluierung würdigten die Webinarteilnehmer*innen die Fachkompetenz des Referenten und äußerten einhellig den Wunsch: “Bitte mehr davon“.

Alle Materialen des Webinars werden in Kürze auf Projekthomepage zu finden.

 

Hans Georg Hassenpflug