Zu Beginn der Covid-19-Pandemie vor drei Jahren wurden viele Präsenzveranstaltungen an den Colleges in Online-Versionen umgewandelt – Vorlesungen, Seminare, Workshops, und sogar Klausuren fanden als Online-Angebote im Hybrid-Format oder als Webinar statt. Die Corona-Pandemie hat damit die Ausbildung an den Agrarcolleges in der Ukraine grundlegend verändert. Für die Lehrkräfte hatte diese Entwicklung vielfältige neue didaktische, technische und zum Teil auch fachliche Herausforderungen zur Folge, die auch dank der Unterstützung durch das Projekt „Förderung der Berufsausbildung an landwirtschaftlichen Colleges in der Ukraine (FABU)“ weitgehend gelöst werden konnten.

Der seit dem 24. Februar 2022 auf dem ukrainischen Boden stattfindende Krieg hat diese Herausforderungen noch einmal auf ein neues Level gehoben.  Viele digitale Konzepte aus der Corona-Zeit haben sich in der College- und Hochschulausbildung mittlerweile als Standardangebot durchgesetzt und sind somit ein integraler Bestandteil der Curricula und Lehrpläne.

Durch die russischen Kriegshandlungen in der Ukraine wurden die Konzepte bzw. Angebote zielorientiert weiterentwickelt und leisten so einen wichtigen Beitrag zur Sicherstellung und Fortsetzung des Lehrbetriebs bzw. der Ausbildung an den Colleges und/oder Universitäten.

Aufgrund des Krieges in der Ukraine haben mehrere Tausend junge Menschen das Land verlassen, um in Deutschland und anderen europäischen Ländern Schutz zu suchen, darunter auch viele Studierende verschiedener ukrainischen Colleges bzw. Universitäten.

Statt unter den wachsamen Blicken ihrer Lehrkräfte im Hörsaal finden nunmehr auch vermehrt Fernprüfungen statt und die Studierenden schreiben ihre Klausuren Online. Einige von Ihnen mussten Ende des Sommersemesters 2023 die einheitliche staatliche Qualifikationsprüfung (USQE) ablegen, um ihren Abschluss zu machen und ihre Diplome zu erhalten.

Nach Aussage von Tetyana Ischenko, Leiterin des „Wissenschaftlich und Methodischen Zentrums für Aus- und Hochschulbildung (WMZ VFPO)“ sind durch den in den letzten fünf Jahren auch mit Hilfe von FABU erfolgten Digitalisierungsschub mittlerweile viele neue Online-Prüfungsformate verfügbar.

Das Semester neigt sich dem Ende entgegen und viele Colleges/Universitäten in der Ukraine befinden sich dadurch derzeit in der Prüfungsphase. Wie prüft man, wenn niemand mehr vor Ort ist und was bedeutet das für die Studierenden?

Von den Fragestellungen und Aufgaben her ist auch eine digitale Prüfung erstmal nichts anderes als eine Präsenzprüfung. Die Corona-Pandemie und der Krieg haben bei den Studierenden in der Wissensvermittlung und –aneignung aber oft zu einem erhöhten Stress geführt. Wenn dann noch neue Prüfungsformate (Von Open-Book- bis Closed-Book-Klausuren etc.)  hinzukommen, wird das von vielen Studierenden als schwieriger wahrgenommen als üblich.

Umso wichtiger seitens der Studierenden ist es, sich zu informieren und zu überlegen: Was kommt da für ein Szenario auf mich zu? Weil die Prüfungsformate so vielfältig sind, kann das Klausuren-Setting immer wieder anders aussehen. Deshalb müssen sich Studierende nicht nur inhaltlich, sondern auch methodisch vorbereiten.

Nach drei Jahren veränderter Prüfungsrahmenbedingungen zeigt sich aber ein Gewöhnungseffekt, so dass die meisten Studierenden mit der veränderten Prüfungssituation gut zurechtkommen.

Vor dem Hintergrund der kriegsbedingten Flüchtlingssituation vieler ukrainischer Jugendlicher wurde seitens WMZ VFPO nunmehr auch nach einer Lösung der Abschlussprüfungen von Jugendlichen, die sich im Ausland aufhalten, gesucht. Dazu galt es für die Online-Prüfungsformate für dieser Studierenden Lösungen für die Spannungs-felder Recht, Didaktik und Technik zu finden.

In einem längeren Prozess der Entscheidungsfindung hat WMZ VFPO mit den zuständigen ukrainischen Ministerien (MBW, MAPE etc.) einen pragmatischen Weg und sachbezogene zielorientierte Vorschläge für die didaktische und technische Umsetzung der Prüfungen ausländischer Studierender entwickelt.

So konnten beispielsweise offene Baustellen wie das Thema Rechtssicherheit (Sicherstellung der Identität, Online-Aufsicht etc.), wichtige Datenschutzvorgaben und technische Probleme im Hinblick auf die schriftlichen Fernprüfungen im Ausland geklärt werden.

Mit Erleichterung uns Stolz können wir heute feststellen, sagt Frau Ischenko, dass dank der finanziellen bzw. materiellen Unterstützung des BMEL, der technischen Hilfe der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU) und des großen persönlichen Engagements des FABU-Teams  computergestützte Online-Tests auf der Grundlage  einheitlicher Regeln und Testmaterialien unter der persönlichen  Anwesenheit von unabhängigen Aufsichtspersonen und dem zusätzlichen Einsatz einer Video-überwachung durchgeführt werden konnten. Das Ergebnis: 27 junge Studierende aus der Ukraine konnten am 22. Juni an der HfWU in Nürtingen in der Spezialisierung „Veterinärmedizin“ die Abschlussprüfung ablegen. Die Prüfungskandidaten*Innen sind

Studierende der ukrainischen Universitäten in:

– Bila Tzerkva Nationale Agraruniversität (Kyiv Oblast);

– Staatliche Biotechnologische Universität (Kharkiv Oblast);

– Sumy Nationale Agraruniversität (Sumy Oblast);

– Stepan Gzhytskyi Nationale Universität der Veterinärmedizin (Lviv Oblast);

– Volodymyr Dahl Ostukrainische Nationale Universität (Luhansk Oblast);

– Polissia Nationale Universität (Zhytomyr Oblast);

– Poltava Staatliche Agraruniversität (Poltava Oblast).

Zur Ablegung der Prüfung waren sie aus Deutschland, Frankreich, Polen, den Niederlanden und Dänemark nach Nürtingen gereist.

Damit haben die deutschen Partner laut Frau Ischenko mit ihrem großen Engagement eine Gruppe junger Ukrainer*innen in einer wichtigen Lebensphase entscheidend unterstützt und einen wichtigen Beitrag zum Aufbau und zur zukünftigen Entwicklung des Agrarsektors in der Ukraine geleistet. Dies verdient unsere Hochachtung und besondere Wertschätzung.

 

Hans Georg Hassenpflug

Projektleiter FABU