Mit der Wahl ihrer Ausbildung oder des Studiums stellen junge Menschen erste wichtige Weichen für ihre berufliche Zukunft. Es gab schon einfachere Zeiten, um mit der Ausbildung zu beginnen. Der aktuelle Covid-19-Alltag hat große Auswirkungen auf die Schule, die Collegeausbildung und das Studium, insbesondere aber auf Schüler*innen und Studierende in der Berufsorientierungsphase. Doch wer jetzt auf den Abschluss zusteuert, der sollte sich nicht entmutigen lassen – und entschlossen die Weichen stellen.

Die Corona-Zeit war und ist für die Jugendlichen, die sich in der Ausbildung befinden oder ihre Prüfungen ablegen bzw. abgelegt haben, nicht einfach. Videochat statt Schulbank, Tablet-PC statt Tafel, Tastatur statt College-Block – für die Schüler*innen und Studierenden der „Genration Corona“ gehören digitales Pauken und die virtuelle Kommunikation seit Monaten zum Alltag.  Und wenn das College geschafft ist? Wenn man den Abschluss als „Juniorpezialist*in“ in der Tasche hat? Ändert sich erstmal nicht viel. Denn auch bei der Planung der beruflichen Zukunft oder dem Studium ist räumliche Distanz angesagt. Informationsveranstaltungen und –messen wurden abgesagt, neue Wege der Kommunikation ausprobiert. In den vergangenen Monaten fanden erste digitale Veranstaltungen statt, bei denen sich die Jugendlichen virtuell über Berufe informieren konnten.

Was erleben Jugendliche, die derzeit in der Ausbildung sind?

Viele Schüler*innen und Studierende mussten sich in den letzten Monaten  mit Themen wie Homeschooling oder Distance learning  auseinandersetzen. Die praktischen Übungen, die in normalen Zeiten eine der Stärken der Collegeausbildung sind, fehlen vielen. Denn nicht immer reicht es aus, digital und aus der Distanz zu lernen. Erschwerend kommt hinzu, dass trotz nachgebesserter Ausstattung selbst unsere Pilotcolleges nicht in allen Bereichen einen guten Distanzunterricht anbieten können. Prüfungen verzögern sich mitunter. Absolventen*innen fürchten aufgrund der aktuell schwierigen Situation keine adäquate Arbeitsstelle zu finden.

Welchen Einfluss hat die gegenwärtige Situation auf die Collegeabgänger*innen?

Durch die Covid-19-Pandemie verändern sich die Berufswünsche und der Fachkräftemangel verschärft sich in verschiedenen Branchen. So haben beispielsweise Berufe in der Gastronomie, im Tourismus und im Kultur- bzw. Mediensektor deutlich an Attraktivität eingebüßt. Im Gegensatz dazu kletterten Berufe, die als systemrelevant gelten, in der Beliebtheitsskala wie z. B. im Agrarsektor oder Einzelhandel deutlich nach oben. Vor diesem Hintergrund halten derzeit Absolventen*innen verstärkt nach krisenfesten Ausbildungsgängen und –berufen Ausschau.

Wie sind die Aussichten für die Abgänger*innen der Agrarcolleges im Schuljahr 2020/2021?

Qualifizierte Fachkräfte werden in vielen Branchen insbesondere auch in der Landwirtschaft gebraucht und gesucht. Eine praxis- und marktorientierte Ausbildung bietet den Collegeabsolventen*innen vielfältige Möglichkeiten für einen sicheren Berufseinstieg und damit eine gute Zukunftsperspektive.

Die aktuelle Situation

Die Agrarcolleges mussten bzw. müssen noch immer in der Corona-Zeit ihre Studenten*innen unter erschwerten Abstands- und Hygienebedingungen (Distance Learning) ausbilden und prüfen. Trotzdem wurden gute Ergebnisse bei den Prüfungen erzielt. Aufgrund des hohen Bedarfs an Fachkräften wurde damit eine wichtige Grundlage für den Berufseinstieg geschafft und es besteht die Chance und berechtigte Hoffnung nach der Ausbildung einen sicheren Arbeitsplatz mit Perspektive zu finden.

Ein wichtiger Aspekt in diesem Zusammenhang ist: Eigeninitiative. Wer sich z. B. rechtzeitig um einen Praktikumsplatz bemüht, erhält die Chance einen Einblick und damit vielleicht die Aussicht auf eine Beschäftigung in seinem Wunschunternehmen zu bekommen.

Onlinebewerbung, Telefonat und Videochat werden in der Corona-Zeit immer häufiger – Regeln für die Online-Vorstellung

„Ich freue mich über eine Einladung zum Vorstellungsgespräch.“ So oder ähnlich endete bis vor kurzem ein Bewerbungsschreiben. Doch das funktioniert in Zeiten der Corona-Krise nur bedingt, denn auf ein persönliches Treffen mit Händedruck verzichten vorerst nahezu alle Akteure.

Es ist noch nicht lange her, da galt eine sorgfältig zusammengestellte Mappe, die per Post geschickt wurde, als das Maß aller Dinge im Hinblick auf eine perfekte Bewerbung. Auch in diesem Punkt haben sich die Zeiten geändert und immer mehr Firmen bevorzugen eine Präsentation per E-Mail oder Online-Formular.

Allerdings bedeutet elektronisch nicht, dass es automatisch lockerer zugeht. Deswegen sollte auch die Online-Bewerbung gut vorbereitet werden und die üblichen Anforderungen erfüllen. Für eine Bewerbung per E-Mail gelten die gleichen Regeln wie für die Postvariante. Allerdings werden die Unterlagen eingescannt und mit einem individuellen Anschreiben versandt.

Wichtig: Dateien nur in gängigen Formaten versenden.

Stellt ein Unternehmen ein Online-Formular zur Verfügung, sollte das sorgfältig ausgefüllt und wenn möglich auch ein persönliches Anschreiben beifügt werden. Zeugnisse und Lebenslauf werden hochgeladen. Umfangreiche Unterlagen sollten zu einem Dokument zusammengefasst werden – das macht die Durchsicht übersichtlicher.

Für den Videochat ist eine stabile Internetverbindung wichtig. Das sollte man vorher testen. So merkt man auch, ob Mikrofon und Kamera richtig eingestellt sind und ob der Hintergrund gut und ordentlich aussieht. Ansonsten gelten in einem Bewerbungs-  oder Vorstellungsgespräch per Videochat die gleichen Regeln wie bei einem klassischen Vorstellungsgespräch.

Handling im FABU-Projekt

Auch im FABU-Projekt haben wir in den vergangenen Monaten für die Bewerbung um ein Praktikum in Deutschland auf Online-Bewerbung  umgestellt. Deshalb war es wichtig, dass der Bewerber/die Bewerberin in seinem Anschreiben uns angegeben hat, wie er/sie für ein Vorstellungsgespräch zur Verfügung steht. Das konnte etwa so lauten: „… und dann freue ich mich über ein Videointerview über Skype, Zoom oder Facetime“. Auf diese Weise wussten wir gleich, wie wir den Kandidaten/die Kandidatin erreichen konnten.

Erfahrungen mit dem ersten Online-Bewerbungsverfahren

Ein Praktikum bietet die Möglichkeit Fach- ,Methoden- und Handlungskompetenzen um Bereiche zu erweitern, die im Berufsleben sowieso auf sie zu kommen aber in der Collegeausbildung wegen der Dominanz der Vermittlung von Fachwissen zu kurz kommen. Das können zum Beispiel Themen sein,  wie Teamarbeit und –organisation, Team- oder Projektmanagement, Ablaufprozesse in und Organisation von Unternehmen. Auch der Einsatz der digitalen Technik spielt  in der Praxis eine wichtigere und größere Rolle  (Farmmanagement-Systeme, Big Data etc.) als im Unterricht.

Trotz umfangreicher Informationen zum Thema Online-Bewerbung und –vorstellung  war das erste komplett virtuell durchgeführte „onboarding“ teilweise ernüchternd:

  1. Verunsicherung bei den Studierenden

Trotz umfangreicher  Informationen mit einer Vielzahl an Tipps waren die Studierenden mit der Online-Vorstellung  teilweise überfordert. Unser Eindruck ist, dass ihnen sowohl seitens der Colleges als auch im privaten Bereich keine fachliche Unterstützung gewährt wurde, geschweige denn, dass sie  eine Hilfestellung bei der Vorbereitung auf das Gespräch hatten.

  1. Fehlende Technik – fehlender Internetzugang

Aufgrund der im Vorweg mit den Kandidaten*innen geführten Gespräche war davon auszugehen, dass die Studierenden sowohl über die entsprechende Technik (PC, Laptop. Tablet, etc.) als auch den erforderlichen Internetzugang verfügen. Beides war dann in vielen Fällen doch nicht gegeben, sodass die Auswahlgespräche teilweise per Telefon oder im College durchgeführt werden mussten.

  1. Sprachkenntnisse

Unter Corona-Bedingungen fand der Sprachunterricht überwiegend online statt. Das hat sich als großes Problem erwiesen, weil die Ergebniskontrolle nicht so effizient war wie bei einem Präsenzunterricht. Die Kenntnisse der deutschen Sprache waren bei den meisten Studierenden im Auswahlgespräch sehr dürftig. Hier besteht in den verbleibenden Wochen bis zur Abreise nach Deutschland noch großer Handlungsbedarf, damit die Praktikanten*innen in den Gastfamilien zurecht kommen.

  1. Die Gesprächsteilnehmer*innen verfügen nur über sehr geringe bis keine Kenntnisse der landwirtschaftlichen Praxis. Der überwiegende Teil der Studierenden stammt aus sogenannten Hauswirtschaften, die zwar Ackerbau und Tierhaltung für die Eigenversorgung betreiben, aber über keine Produktionstechnik oder -abläufe wie in landwirtschaftlichen Betrieben verfügen. Lediglich fünf Studierende haben außerhalb der Colleges und des Elternhauses praktische Erfahrungen auf landwirtschaftlichen Betrieben gesammelt.
  2. Vorbereitung auf das Interview

Die Kandidaten*innen hatten sich nicht ausreichend auf das Gespräch vorbereitet. Dies zeigte sich insbesondere bei offenen Fragestellungen und hängt sicherlich auch mit Punkt 6 zusammen.

  1. Informationsfluss College – Bewerber*in

Die Weitergabe von Informationen durch die Colleges war sehr unterschiedlich und zum Teil auch sehr zögerlich um nicht zu sagen schlecht. So wurde ein Teil der Studierenden erst 1 bis maximal 2 Tage vor dem Gespräch über den Termin informiert. Das ist bzw. war für eine zielgerichtete Vorbereitung der Studierenden auf das Auswahlgespräch zu kurzfristig.

  1. Motivation der Studierenden

Trotz aller Schwierigkeiten war die Eigeninitiative der Studierenden auch nur eingeschränkt erkennbar. Wenn ich mich um ein Auslandspraktikum bemühe, dann setzen wir voraus, dass man sich um die formalen Rahmenbedingungen  beschäftigt und kümmert. So hat sich nur die Hälfte der Kandidaten*innen beispielsweise um einen Reisepass bemüht. Trotz der Hinweise sich frühzeitig um einen Reisepass zu bemühen, warten viele Bewerber*innen  bis sie für das Praktikum ausgewählt wurden. Aufgrund der engen Zeitfenster für die formelle Abwicklung ist es dann für das weitere Verfahren manchmal zu spät. Interesse am und mit der Situation im zukünftigen Gastland zeigten nur wenige Teilnehmer*innen im Auswahlgespräch.

  1. Führerschein

Die überwiegende Zahl der Studierenden (mehr als 80 Prozent) verfügte zum Zeitpunkt des Auswahlgesprächs über keinen Führerschein.

Fazit

Ein Betriebspraktikum bietet Schüler*innen und Studierenden eine hervorragende Gelegenheit für die Berufsorientierung und erste Kontakte mit der Arbeitswelt. Wie sonst findet man besser heraus, was zu einem passt und was einen interessiert, als wenn man es selbst einmal gemacht hat? Vor diesem Hintergrund ist ein Betriebspraktikum ein wichtiger Türöffner für die Berufswelt und ein Leuchtturm  für das Projekt „Förderung der Berufsausbildung an landwirtschaftlichen Colleges in der Ukraine (FABU) -UKR 17-01.“

In der gegenwärtigen Corona-Situation war ein Präsenzauswahlverfahren nicht durchführbar. Auf Grund der diesjährigen Erfahrungen und Erkenntnisse ist es allerdings zukünftig unverzichtbar. Um das Praktikantenprogramm erfolgreich weiter zu führen,  müssen fortan die aufgezeigten Probleme frühzeitig angegangen und behoben werden. Dazu wird das FABU-Team die Colleges stärker in die Pflicht nehmen und wieder vor Ort gezielte Vorbereitungsmaßnamen  auf das Praktikum anbieten und deren Umsetzung auch vor Ort kontrollieren.

Allen Beteiligten ist klar, dass In den verbleibenden rund 8 Wochen noch eine Menge erledigt werden muss, damit das Praktikum in Deutschland zu einem Türöffner für die „Grünen Berufe“ wird.

 

Hans Georg Hassenpflug

Projektleiter FABU