Gegen Mittag des 09. Dezember 2020 wurden 25 ukrainische Praktikantinnen/Praktikanten  von ihren Gasteltern zur Verabschiedung in die DEULA nach Kirchheim an der Teck gebracht. Angesichts der Corona-Beschränkungen erfolgte nur ein kurzer, aber nicht weniger emotionaler Abschied. Auf der Seite der Gastfamilien mit Stolz, Wehmut und auch Routine: Einen jungen Menschen aus einem anderen Land und Kulturkreis erfolgreich in einem Ausbildungsabschnitt begleitet, gefördert und unterstützt zu haben, ist schon eine besondere Leistung. Viele Gasteltern haben die jungen Menschen in der Zeit des Praktikums liebgewonnen und ein besonderes Vertrauensverhältnis zu ihnen aufgebaut und nun muss man sie loslassen, das fällt oft nicht leicht. Das ist auch bei den Praktikantinnen/Praktikanten nicht anders. Trotzdem ist es heute ein besonderer Anlass: Auch für sie bedeutet dieser Tag Abschied nehmen von einem nunmehr vertrauten Umfeld und neuen Bekanntenkreis, weshalb Tränen in den Augen oder ein Lächeln auf der Wange eine ganz persönliche Reaktion sind. 4 ½ Monate Praktikum auf einem Familienbetrieb in Baden Württemberg oder Bayern hinterlassen ihre Spuren.

Virtuelle Verabschiedung

Die eigentliche Abschlussveranstaltung folgt am Nachmittag. Sie fand nicht wie traditionell üblich mit der Teilnahme aller Gastfamilien und Projektpartner vor Ort statt, sondern die Ab-solventinnen/Absolventen dieses Praktikantenjahres wurden erstmals „Hybrid“ (Präsenz und digitales Format kombiniert) verabschiedet.

Mittels Videotechnik waren nicht nur die Gastfamilien, sondern auch die Ehrengäste vertreten: Laura Meyer, Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, Helga Sievert, Ministerium für den Ländlichen Raum und Verbraucherschutz des Landes Baden-Württemberg und Hans Georg Hassenpflug, Projekt „Förderung der Berufsausbildung an landwirtschaftlichen Colleges in der Ukraine“ (FABU) virtuell zugeschaltet.

Alle drei brachten ihre Freude darüber zum Ausdruck, dass es auch unter den besonderen Bedingungen des Jahres 2020 gelungen ist, das Betriebspraktikum für die ukrainischen Studierenden durchzuführen. Damit wurde den jungen Menschen eine einmalige Gelegenheit geboten, aus erster Hand zu erfahren, wie Landwirtschaft in Deutschland – unter anderen klimatischen, wirtschaftlichen, sozialen und technischen Bedingungen – funktioniert.

Im Gegensatz zu den vorangegangenen Jahren fehlte natürlich im Verlauf des Praktikums an der einen oder anderen Stelle der persönliche Austausch, die Geselligkeit und das fachliche und kulturelle Besichtigungsprogramm vor Ort. Trotzdem war das Praktikum ein voller Erfolg und für die Praktikantinnen und Praktikanten ein besonderes Erlebnis.

Digital und ohne Händedruck

Statt einer großen Feierstunde mit Handschlag durch die Ehrengäste gab es unter den Pandemie-Bedingungen diesmal die Gratulation nur virtuell. Der Würdigung ihrer Leistung im Praktikum tat dies allerdings keinen Abbruch.

Mehr als 4 ½ Monate über 2000 km von zu Hause weg in einer neuen Umgebung ohne Freunde und ohne die Familie in einem neuen ungewohnten sozialen Umfeld zu leben war neben der fachlichen auch eine psychische Herausforderung.

Dies würdigten auch der Vorstandsvorsitzende von AKI, Hans-Benno Wichert, und der stellvertretende Vorsitzende, Siegfried Schwab. Sie überreichten nach den Grußworten offiziell die Abschlusszertifikate. Vier Praktikanten wurden für ihre hervorragenden praktischen Leistungen sowie das am besten geführte Berichtsheft vom AKI-Geschäftsführer Falk Kullen geehrt.

„Es war für uns eine einmalige Gelegenheit, wertvolle Erfahrungen zu sammeln, die unser Leben verändern werden und die Möglichkeit geben, neue Ziele zu setzen“ – bedankte sich im Namen aller ukrainischen Praktikantinnen/Praktikanten Oleksii Martyniuk vom Gastbetrieb Ralf u. Claudia GbR aus Murrhardt, der den ersten Platz und somit die Teilnahme am Herrschinger Grundkurs im Jahr 2022 gewonnen hatte.

In den Gesprächen nach der Übergabe der Abschlusszertifikate wurde unter den Jugendlichen die 4½-monatige Praktikumszeit aufgearbeitet. Es fielen seitens der Praktikantinnen/Praktikanten Sätze wie:

… Meine Gastfamilie und die Arbeitsbedingungen in meinem Ausbildungsbetrieb waren ganz toll.

… Endlich durfte ich male einen ordentlichen Trecker fahren.

… Das die Melkanlage immer so pingelig sauber gehalten werden musste hat mich manchmal schon genervt.

… Mein Gastvater legte sehr großen Wert auf das Führen meines Berichtsheftes.

… Ich habe gute Ideen für meine Abschlussarbeit erhalten.

… Zu Hause wurde mir immer gesagt, was ich tun musste.

… Die Technik auf dem Betrieb war faszinierend, insbesondere die Nutzung der Elektronik auf den Maschinen und in der Tierhaltung.

… Über die Verbesserung der Tiergesundheit und das Tierwohl wurde fast täglich beim gemeinsamen Frühstück gesprochen.

… usw.

Nun beginnt das Leben!                 

Nach den zukünftigen Zielen befragt äußerten die Praktikantinnen/Praktikanten  unterschiedliche Pläne und Vorstellungen. Die einen werden erst einmal Ferien machen, andere bereiten sich vielleicht auf ein weiterführendes Studium oder einen weiteren Auslandaufenthalt vor und wieder andere freuen sich auf den ersten Job und sicher dann auch auf den ersten Lohn.

Alle Praktikantinnen/Praktikanten bestätigten, dass sie durch das Praktikum eine Menge Rüstzeug in die Hand bekommen haben, um ihr Leben selbständig und eigenverantwortlich zu gestalten. Darüber hinaus haben sie neue, wertvolle Eindrücke von einem Beruf in einem der schönsten Berufsfelder der Welt bekommen.

Einig waren sich alle Befragten darin, dass sie gelernt haben, zu beobachten, genau hinzuschauen, gut zuzuhören und gemeinsam mit den Gasteltern und deren Mitarbeitern etwas Sinnvolles zu gestalten. Neu für sie war, dass sie selbst Lösungen finden und lernen mussten, situativ zu reagieren. Kaum ein Tag war wie der Vorherige. Planbar war er schon, nur häufig kam es häufig anders als geplant. Immer wieder wurden sie durch plötzliche Änderungen der Gesamtsituation gefordert, ihre Entscheidungen und Strategien zu überdenken und anzupassen. Dieses flexible Reaktionsvermögen wurde ihnen in der Ausbildung bisher nicht vermittelt.

Hans Georg Hassenpflug, Leiter des Projektes FABU, wünscht sich, dass die Erfahrungen und das Gelernte die Praktikantinnen/Praktikanten dazu motiviert, immer engagiert, initiativ und neugierig zu bleiben. Des Weiteren wünscht er ihnen Mut und Durchhaltevermögen, Neues zu wagen und umsetzen. Herr Hassenpflug würde sich freuen, wenn sie ihm bei nächster Gelegenheit in der Ukraine sagen: das Praktikum hat meinen Horizont erweitert und wichtige Impulse für meinen weiteren beruflichen Werdegang geliefert.

Erfolgskonzept „Auslandspraktikum“ soll fortgeführt werden

Das Praktikantenprogramm mit der Ukraine wurde zum dritten Mal durch das Bilaterale Kooperationsprogramm des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) im Rahmen des Projektes „Förderung der Berufsausbildung an landwirtschaftlichen Colleges in der Ukraine“ (FABU) unterstützt, mit einer organisatorischen Beteiligung von ADT Project Consulting GmbH. „Es ist unser großer Wunsch, das Programm in den nächsten Jahren fortzusetzen“, – so Laura Meyer, zuständige Vertreterin vom BMEL.

Nach einem langen letzten gemeinsamen Abend mit vielen Gesprächen und der Übernachtung in der DEULA in Kirchheim/Teck folgte am 10. Dezember der Transfer zum Flughafen nach Frankfurt. Flug LH-1490 bringt die Gruppe um 13.50 Uhr nach Kiew-Boryspil.

Dort werden Sie im Terminal D müde und erschöpft von überglücklichen und stolzen Eltern in Empfang genommen. Ein Abenteuer, das Ende Juli mit einem positiven Corona-Test begann, hat ein glückliches Ende gefunden.